Den Wunsch Mitbürger einer Grossmacht zu sein kennen Anwohner von praktisch allen Ländern. Der Wunsch eine Grossmacht zu gründen und zu regieren ist bei ihren Anführern noch mehr ausgeprägt.

Wie bildet man aber eine Grossmacht? Dafür gibt es mehrere Wege. Der älteste, bekannteste und meist verwendete ist, die Nachbarländer zu überfallen und sie zu annektieren. Diese Methode wurde bereits in der Steinzeit erfunden und seit mehr als 10 000 Jahren unzähliger Mal erfolgreich angewandt. Eine verwandte Variante ist eine Minderheit von eigenen Bürgern, die sich in einem Nachbarland einsiedelten zu «befreien». Unsere Geschichtsbücher bestehen mehrheitlich aus eindrücklichen Beschreibungen solchen Vorgehens. So gesehen entbehrt es nicht einer gewissen Logik, wenn es noch heute versucht wird anzuwenden.

Den heutigen Grossmacht-Erbauern sei aber empfohlen, die Geschichtsbücher nochmals zu lesen. Die Überfall-Methode war erfolgreich im Sinne, dass es oft gelungen ist, die Nachbarländer zu besiegen. Was aber weniger eindrücklich ist: Keine einzige der so gegründeter Grossmächte hat lang überlebt! Am längsten vielleicht noch während der Steinzeit Dynastien, ihre Lebensdauer scheint aber immer kürzer zu werden. Wahrscheinlich als Folge davon, dass die heutige Weltbevölkerung nicht mehrheitlich aus Steinzeitmenschen besteht.

Ein weiterer Nachteil ist die unvermeidliche feindliche Einstellung der besiegten Landbevölkerung. Mit zahlreichen Toten, vernichteten Häusern und erlebter Willkür der eingesetzten «Pro-Feind-Regierung» können diese kaum zu echten Mitgliedern der angestrebten Grossmacht gezählt werden. Mit der Zeit können in einem solchen Staat die ursprünglichen Anwohner zu einer Minderheit werden. Des Weiteren muss mit einem Widerstand im eigenen Land gerechnet werden.

Gegen diese unerwünschte «Nebenwirkungen» der Kriegs-Methode bewährte sich erfahrungsgemäss die werdende Grossmacht in der Form einer Diktatur zu gestalten. Studium der Geschichte enthüllt aber noch weitere Gesetzlichkeiten. Die Gründer und Befehlshaber von mit der Überfall-Methode errichteten Grossmächten waren ausnahmslos Alleinherrscher auf Lebenszeit, in der letzten Zeit waren alle medizinisch nachgewiesenen Psychopathen. Daraus könnten die heutigen und künftigen Erbauer folgern, sie müssten eine Diktatur rechtzeitig zu etablieren. Ob sie auch genügend psychisch angeschlagen seien, um als Eroberer zu qualifizieren, sollten sie ihre Psychiater fragen.

In einer nach diesem Muster gegründeten Grossmacht wird auch eine professionell betriebene Propaganda vonnöten werden, die Gefühle von Verachtung, Hass und Wut in eine Begeisterung und Bewunderung der neuen Befehlshaber umwandelt. Allgemein bekannt als Hirnwäsche. Allerdings wirkt dies einigermassen zuverlässig erst nach mehreren Generationen.

(Aus den oben erwähnten Gesetzlichkeiten könnte auch die Weltbevölkerung etwas folgern: Alle Länder, geführt von Alleinherrschern auf Lebenszeit werden – statistisch nachweisbar – mit hoher Wahrscheinlichkeit früher oder später Eroberungskriege führen. Es ist unverständlich, dass diese Tatsache heute nicht wahrgenommen wird.)

Ein anderer Weg zum Gründen einer Grossmacht ist eigentlich logisch und naheliegend, wurde aber erst in der späteren Neuzeit gefunden. Mehrere Länder oder Gebiete schliessen sich freiwillig zusammen zu einem Bündnis, in dem alle Teile gleichberechtigt sind. Sie werden durch demokratisch gewählte Volksvertreter regiert. Als Beispiel kann USA oder EU dienen. Obwohl sie – historisch gesehen – erst vor kurzer Zeit entstanden sind, besteht kein Zweifel an ihrer langfristigen Stabilität. Ihr einziger Nachteil betrifft ihre Gründer: Sie können nicht zu Alleinherrschern auf Lebenszeit werden.

In dieser Anleitung sollte nicht fehlen, wie man eine Diktatur-Grossmacht in die – für alle Menschen viel attraktivere – Demokratie-Grossmacht umwandeln kann.

Der Anfang ist einfach: Zuerst stoppt man alle kriegerischen Handlungen und zieht Militär aus fremden Ländern ab. Dann verarbeitet man die Vergangenheit. Das ist nicht ganz einfach, aber unumgänglich. Dazu müssen die Fehler unserer Vorfahren – und auch die eigene – zugegeben werden. Mit einer Entschuldigung und dem Versuch für die verursachten Schäden mindestens teilweise aufzukommen. Dadurch steigt aber die Glaubwürdigkeit des Landes und ihrer Regierung. Erst dann könnte man anfangen die benachbarten Länder zu einem Bündnis einzuladen. Mit überzeugenden Beweisen, dass sie sich als gleichwertige Partner an der Regierung beteiligen werden und zu jeder Zeit wieder aussteigen können.

Bezüglich Gründer einer solchen Grossmacht gibt es aber eine strenge Einschränkung: Der «man» im vorherigen Absatz kann kein Mann mit Steinzeit-Denkart und/oder ein Psychopath sein.